Im dunklen Wald

Ein dunkler Wald mit dichten Bäumen.

First Post~

Hodor war unfassbar erschöpft, als er Bran auf dem dreckigen Waldboden ablegte, der von Blättern verwischt war. Beide hatten schon seit Ewigkeiten nichts mehr zu essen und das zeigte sich auch, als Brans Magen auf einmal anfing zu rumoren. Hinzu kam, dass es nebelig und kalt war und Bran kaum noch etwas dichtes an hatte, bis auf seinen dünnen, kurzen Umhang und das Hemd darunter. Eine wärmere Jacke hätte er als bequem empfunden, aber leider war das momentan nicht möglich. Er stützte sich mit beiden Armen auf und schaute zu Hodor. Sommer saß neben Bran und schmiegte sich an seinen Arm, aber Bran konnte ihn nicht streicheln, ohne wieder zurück auf den Boden zu fallen. Hodor saß erschöpft auf einem Stein. "Hodor schaut Essen...", gab er in dämlicher Sprache von sich und machte sich auf den Weg, nach irgendwas zu suchen. Beide hätten nicht mehr lange überlebt.
Sommer fing an zu drängeln. Er packte seinen Kopf unter Brans Arm und schmiegte sich mehr an ihn, ehe er anfing, in der Luft zu schnuppern. Sommer schien etwas zu wittern. Neugierig ging er um die Ecke. Er musste nach etwas suchen. Bran wollte ihn zuerst aufhalten, aber das ging ja schlecht. Also musste er nun alleine warten.

Ygritte irrte alleine durch den dunklen Wald. Sie kannte keinen genauen Weg und wusste auch nicht wo sie sich befand, aber sie wusste, dass sie zurück hinter die Mauer wollte. Sie wollte zurück in Manke Rayders Lager und sie wollte zurück zu Langspeer, der sie trösten und ihr sagen würde, dass eine Krähe ihrer Trauer nicht wert war.
Sie versuchte möglichst vorsichtig über den Waldboden zu gehen, denn sie hatte Angst man könnte das Rascheln der Blätter hören. Sie wollte keine Fremden anlocken, sie war zwar nicht schwach, aber der Verlust von Jon machte ihr sehr zu schaffen und sie fühlte sich im Moment angreifbarer als je zuvor.
Sie musste schon seit Stunden durch den dichten Wald irren. Es war kalt und nebelig, sie konnte kaum ihre eigene Hand vor Augen sehen und unter diesen Umständen musste sie zugeben, dass sie sich verlaufen hatte.
Ygritte brauchte eine Pause. Sie war erschöpft und wollte sich nur auf den feuchten Waldboden fallen lassen, schlafen und alles vergessen was passiert war. Sie wollte Jon Schnee und seine Einfältigkeit vergessen, sie wollte die Tatsache verdrängen, dass sie auf ihn geschossen hatte, trotzdem ihr Herz etwas anderes sagte und sie wollte vergessen, dass sie sich nicht zu Hause befand. Sie wollte einfach nur zurück zu Ryk.
Ihre Beine trugen sie noch ein paar Schritte, bevor sie sich gegen auf die Erde fallen ließ. Die Rothaarige lehnte sich gegen einen Baum und schloss ihre Augen, sie war sich fast sicher, dass niemand hier war. Niemand war so verrückt und ging so tief in den Wald wie sie.
Ihr Atem beruhigte sich und sie blendete alles um sich herum aus, bis sie ein kläffen wahrnahm. Erst leise, kaum hörbar, doch letztlich wurde es laut und sie schrak auf.
Vor ihr stand ein Wolf, gemustert in rot und weiß. Er erinnerte sie an Geist und sofort machte ihr Herz wieder einen Sprung.
Das Tier musterte sie kurz, bevor es anfing zu knurren. Ygritte blickte sich um, auf der suche nach einem Stock oder ähnlichem, um den Wolf zu vertreiben, doch das einzige was sie fand, war ein kleiner Junge, der unbeholfen auf dem Boden lag und auf etwas zu warten schien.

Je mehr Hodor und Sommer den jungen Lord warten ließen, desto müder wurde er und seine Gliedmaßen schliefen immer mehr ein. Schon bald konnte er seinen steifen Nacken nicht mehr spüren. Es tat nicht sonderlich gut, auf dem Waldboden liegend auf jemanden zu warten, wenn jederzeit irgendein Wildling kommen und Bran töten konnte. Wie sehr er sich in diesem Moment nach dem Laufen sehnte. Er erinnerte sich gerne daran, wie es war, als Jon mit ihm den Umgang mit Pfeil und Bogen üben wollte und er in der Lage dazu war, das Ziel zu treffen. Er war unglaublich stolz auf sich selber gewesen und vermisste jeden dieser Momente, bis zu dem Tag an dem er den unfassbar hohen Turm hinaufkletterte und von irgendjemandem hinuntergestoßen wurde. Bis heute konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie sehr er es auch versuchte. Winterfell schien so weit weg zu sein. Und es existierte ja nicht einmal mehr. Nur schmerzlich erinnerte sich der Junge daran, wie er zuschauen konnte, wie seine Heimat niederbrannte. Hodor hatte damals Angst vorm Gewitter gehabt, aber das ist alles Vergangenheit.
Bran öffnete seine schon längst geschlossenen Augen, als er ein Knacken hörte, das von der Ecke kam, in die Sommer verschwunden war. Kaum später hörte er eben diesen auch Knurren. "Sommer!", rief der Junge, in der Hoffnung, dass es seinem Schattenwolf gut ging. Kurz bevor er mit seinem Oberkörper anfangen wollte zu kriechen, erschien eine rothaarige Frau, die - zu Brans Entsetzen - mit Sommer kämpfte. Im ersten Moment musste er an seine Mutter und seine Schwester Sansa denken, aber dann kehrte er in die Realität zurück. "Sommer, komm her", forderte er den Wolf auf, der auch sofort reagierte und zu seinem Herren zurückkehrte. Bran lag nun auf dem Bauch und umarmte Sommer, der ihn sich leicht auf ihn stützen ließ, damit er nicht unbequem liegen musste. Dann funkelte Bran die Rothaarige böse an. Sie schien eine Wildlingsfrau zu sein.

Bevor sich Ygritte darüber wundern konnte, dass der Wolf den Jungen nicht angriff, zog sie einen Pfeil aus dem Köcher auf ihrem Rücken und hielt auf das brünette Kind.
"Beweg dich und ich schieße.", es fühlte sich an, als wäre jeder Muskel ihres Körpers angespannt. Es war nicht so wie immer. Normalerweise würde ein kleines Kind ihr keine Angst einjagen, doch diesmal war es anders.
Die Bedrohung kam von dem Wolf aus. Ygritte wusste, dass er alles tun würde, was der Junge ihm auftragen würde und dies jagte ihr eine unheimliche Angst ein. Das Tier fletschte die Zähne und funkelte sie böse an.
Er war bereit dazu, sie anzufallen und sie überlegte auf den Wolf zu zielen.
Jetzt richtete sie den Pfeil auf das Tier und spannte den Bogen erneut, wenn jemand sterben musste, dann der Wolf, auch wenn er sie an Geist und somit an Jon Schnee erinnerte.
"Steh auf.", Ygrittes Blick wich nicht von dem Tier, "Ich will sicher sein, dass du keine Waffen bei dir hast."

Bran zuckte zusammen. Die Wildlingsfrau zielte doch tatsächlich mit ihrem Bogen auf ihn! Bran beobachtete eine Weile, wie sich die Rothaarige zu entscheiden versuchte, auf wen sie schießen wollte. Sein Herz rutschte ihm fast in die Hose, als er es sich wagte, schützend schräg vor seinen Wolf zu kriechen, der nun schon wimmerte. Bran flüsterte ihm beruhigende Worte zu, ehe er sich der Frau zuwandte. "Ich kann nicht. Ich bin behindert", sagte Bran schließlich schluckend und es erfüllte ihn mit Hass, das sagen zu müssen. In seinem Kopf spukten Fantasien umher. Wie er aufgespießt in einem Wildlingslager gegessen wird oder wie sie einzeln Sommer abschlachten, bis nichts mehr von ihm übrig wäre. Bran drückte sich immer mehr an das Tier und hörte sein Herz pochen. Er wünschte sich sehnlichst Hodor herbei oder zumindest funktionstüchtige Beine, mit denen er sich fortbewegen und den großen, schweren Diener suchen konnte, der zusammen mit Sommer schon lange sein bester Freund war. Während die Frau den Bogen immer mehr spannte, hielt Bran beide Hände schützend vor sich.

Ygritte benötigte eine Weile, bis sie verstand was vor sich ging. Der Junge konnte ihr nichts antun, er war ein Krüppel und sein Wolf war nichts weiter als ein winselnder Hund.
Als sie dies realisiert hatte nahm sie den Bogen runter und brach in Gelächter aus. Sie wollte es eigentlich nicht und es tat ihr auch leid, aber in diesem Moment kam sie sich selbst einfach zu komisch vor, denn Wildlinge hatten keine Angst vor Kindern.
"Wie kommt ein Krüppel wie du in den Wald?", es amüsierte sie sehr, denn die Vorstellung wie er sich mit seinen Armen hierher geschliffen hatte löste ein erneutes Lachen in ihr aus, "Hat dich dein Kuscheltier getragen?"
Ygritte deutete auf Sommer.

Sommer fing an zu knurren und bäumte sich auf, aber Bran versuchte, die Schnauze des Wolfes zuzuhalten, was ganz gut klappte. Während er sich so halb auf den Wolf legte und dabei sehr unbeholfen aussah, musste er sich zusammenreißen, die Wildlingsfrau nicht zu beleidigen. Er hatte es sich abgewöhnt, wegen seiner Behinderung auszuflippen. Und daran wollte er sich halten. "Mein Freund Hodor trägt mich von Ort zu Ort. Ich heiße Bran Stark", gab Bran preis, weil er befürchtete, dass die Rothaarige ihm misstraute und ihn anschließend irgendwo hinbrachte. Er musste einfach nur auf Hodor warten, und der würde die Frau schon loswerden. Und wenn Bran ihm dabei helfen musste.
Während er die Frau noch mehr musterte, fiel ihm auf, dass sie ziemlich nördisch aussah. Sie trug einen warmen Mantel und hatte einen Stab in der Hand. Vielleicht kam sie ja irgendwo von hier? Bran wollte sich ruhig verhalten.

Sie musste erneut lachen. Die Tatsache, dass er von einem Riesen oder Halbriesen getragen wurde war doch wirklich sehr witzig. Ygritte atmete einmal tief durch und versuchte sich wieder zu beruhigen.
"Und, Bran Stark?", sie hatte das Bedürfnis den kleinen Jungen zu schubsen, doch das ging schlecht, da er schon lag, "Wo ist denn dein Freund? Scheint ja nicht in der Nähe zu sein, vielleicht ist er ja auch nur eine Wahnvorstellung. Das kann gut sein, ich habe schon so einiges von Krüppeln gehört."
Die Rothaarige blickte den Jungen in die Augen und erkannte letztlich seine Angst. Sie kniete sich zu ihm nieder und versuchte zu Lächeln, auch wenn sie kläglich scheiterte.
"Seien wir ehrlich.", sie räusperte sich, irgendwie war es ihr schon peinlich einen Krüppel um Hilfe zu bitten, "Ich bin alleine und habe mich verlaufen und du bist alleine und.... kannst nicht laufen. Ich biete dir an, dich in der Nacht zu beschützen, wenn du mir den Weg aus dieser Hölle zeigst. Ich will wieder zurück hinter die Mauer."
Ygritte fasste nicht, dass diese Worte gerate tatsächlich aus ihrem Mund gekommen waren. Doch ihr Antrieb war nicht alleine die Kälte oder ihre Verzweiflung.
Der Name des Jungen kam ihr sehr bekannt vor, sie wusste aber nicht weshalb.

Bran ignorierte die dämlichen Bemerkungen der rothaarigen Frau und hörte dann ihrem Handel zu, über den er schließlich nachdachte. Er hatte sich tatsächlich den ganzen Weg gemerkt, den Hodor, Sommer und er zurückgelegt hatten, aber als ihm Hodor ins Gedächtnis kam, schüttelte er stürmisch den Kopf und stieß die Wilde von sich. Er würde niemals Hodor verlassen - obwohl er momentan ja nicht da war. "Ich kann nicht ohne meinen Freund gehen", meinte Bran also felsenfest und kraulte Sommer unbemerkt hinter dem Ohr, um sich und ihn zu entspannen. Er tat das so gerne. Damit konnte er sich immer beruhigen.

Seine Aussage machte Ygritte wütend. Sie ergriff sein Hemd und zog ihn hoch, sodass sie ihm in sein Gesicht blicken konnte. Es war gezeichnet von Furcht und Trauer und es war ihr so fremd, aber trotzdem irgendwie vertraut.
"Hör mir mal zu, Krüppel.", zischte sie ihn an, sie wurde nicht laut, aber ihr Ton wurde drängender, sie hatte wirklich Angst, dass sie nie wieder aus diesem verdammten Wald hinausfinden würde, "Wenn du mir nicht hilfst, wird dies die letzte Nacht für dich, deinen Freund und für dein jämmerliches Tier gewesen sein und wenn ich es mir so recht überlege, ich habe Hunger und ein Wolf ist zwar nicht perfekt, aber er ist groß und wird reichen um meinen knurrenden Magen ruhig zu stellen."

Bran versuchte, irgendwas zu tun, aber dieser Griff raubte ihm auch noch die letzte Bewegungsfreiheit. Er packte seine Hände um die Arme der Frau, damit sie ihn losließ. Angeekelt starrte er sie an. Er fand es so widerlich. Anscheinend war sie nicht nur ein Wildling, sondern auch noch eine Kannibalin, wenn sie gerne Tiere aß. Er spürte Sommer neben sich. Er war drauf und dran, die Rothaarige zu zerfleischen, aber er wusste anscheinend auch, dass das nicht nur den Tod des Wolfes bedeuten würde. Wenig später gab sich Bran also geschlagen. Der Zehn-Jährige schluckte schwer. Er wollte Hodor nicht alleine lassen, aber wenn sie alle überleben wollten, musste er diesen Schritt wohl wagen. "Ich helfe euch. Lasst mich los", murmelte er, sich immer noch irgendwie sträubend. Bei dem Gedanken an Hodor spürte er seine schweren Tränensäcke, aber um nicht als schwach zu gelten, unterdrückte er diese Tränen und starrte der Frau einfach in die Augen.

"Gute Entscheidung, Bran.", sie löste den Griff und ließ den Jungen unsanft auf den Boden fallen.
Sie war froh, dass sie jemanden gefunden hatte, der ihr den Weg aus diesem Wald zeigen würde. Sie ließ sich erneut auf den Boden nieder, immer bedacht, dass sie Bran und dem Tier nicht zu nah kam, und lehnte sich an einen, mit Moos bewachsenen, Baumstamm.
Sie schloss eine Weile ihre Augen, bevor sich ihr Magen wieder meldete. Es war kein leises Grummeln, sondern eher schon ein lautes Knurren, welches er von sich gab. Sie hielt sich den Bauch und bemerkte, dass Bran sie seltsam anstarrte.
"Was willst du, Krüppel?"

Der Aufprall drückte Brans Rücken nicht gerade sanft und er musste schmerzhaft das Gesicht verziehen, ehe er sich an Sommer festhalten, hochziehen und sich somit hinsetzen konnte. Diese Frau würde ihn noch ins Grab bringen. Da war er sich ziemlich sicher.
Er bemerkte, dass ihr Magen ebenso knurrte wie seiner. Vielsagend starrte er sie an. "Wer seid ihr?" Eigentlich hatte Bran nicht vor, irgendwas zu sagen, aber die Worte purzelten einfach so aus seinem Mund und er konnte es nicht verhindern, diese Frage zu stellen. Diese Frau kam ganz sicher von außerhalb der Mauer, da war er sich sicher. Sommer knurrte zwar schon, aber Bran konnte sich einfach nicht zurückhalten und vor allem konnte man es nicht wieder rückgängig machen, dass er diese Frage gestellt hatte.

Diese Frage empörte Ygritte. Sah man nicht, wer sie war?
Sie überlegte wie sie diese Frage beantworten sollte, doch je mehr sie nachdachte, desto mehr wurde ihr klar, dass sie ein niemand war.
Natürlich, sie war eine Speerfrau, ein wichtiger Bestandteil in Manke Rayders Lager, doch erst Jon machte sie zu etwas, was sie auch sein wollte. Seine Frau. Der Gedanke an ihn löste erneut einen fürchterlichen Schmerz in ihrer Brust aus.
Sie seufzte und fing an zu erzählen:" Ich bin ein Mitglied des freien Volkes. Ihr Knieende würdet mich sicherlich als 'Wildling' bezeichnen, doch ich bin mehr als das, ich bin eine freie Frau."
Mehr Erklärung wollte sie ihm eigentlich nicht geben, doch es lenkte sie von den Gedanken an Jon Schnee ab und sie redete weiter: "Ich bin eine der Kämpferinnen in Manke Rayders Lager, eine Speerfrau.", sie schloss die Augen und wünschte sich, dass sie wieder dort wäre, "Und wer bist du, Bran Stark?"

Die Gegenfrage verwirrte Bran. Sie kannte seinen Namen, seine Herkunft, sie hatte den Schattenwolf gesehen. Entweder war sie nicht viel unterwegs oder nicht sehr im Bilde über Westeros. Eigentlich dachte Bran, dass alleine sein Name schon alles verraten hätte, aber demnach konnte er der Wildlingsfrau viel verraten. Und gerade dies wollte er ausnutzen.
"Ich bin Eddard Starks dritter Sohn. Eigentlich zweiter... aber mein Bruder Jon ist kein Stark, er ist ein Schnee", fing er an und setzte dann kurz aus. "Demnach bin ich also der Prinz von Winterfell." Bran war sich jetzt nicht mehr so sicher, ob er die Rothaarige verwirrt hatte, aber selbst wenn, es würde ihn auch nicht stören.
Je mehr sie trödelten, je größer war die Chance, dass Hodor wiederkam.

Ygrittes Herz schien auszusetzen. Hatte sie da gerade richtig gehört? Er war der Bruder von Jon Schnee? Ihrem Jon Schnee?
Und plötzlich machte es auch Sinn. Sie wusste nun, woher sie den Namen 'Stark' kannte und sie wusste nun auch, weshalb ihr das Gesicht des Jungen so bekannt vorkam. Deswegen erinnerte sie Sommer an Geist.
Ihr Mund wurde trocken und die Worte wollten kaum aus ihrem Mund kommen: "Du bist der Bruder von Jon Schnee." Auch als sie es aussprach, klang es unwirklich.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, sie war eine Speerfrau. Sie brauchte Jon nicht, sie brauchte niemanden.

Als die Rothaarige eine Weile nicht antwortete, sah Bran wieder in ihre Richtung, die er vorher gemieden hatte. Sie schien völlig aus der Bahn geworfen, total vewirrt zu sein. Der Junge hatte sich mittlerweile an einen Stein gelehnt und hatte Sommers Kopf auf seinem gelähmten Schoß platziert.
"Ja", sagte Bran nur, vielleicht verwirrte sie der Name nur, vielleicht aber kannte sie ihren Bruder wirklich. Bei diesem Gedanken durchzuckte es Bran wie bei einem Blitzeinschlag. Wenn diese Wilde Jon wirklich kannte, war es vielleicht möglich, dass er noch lebte.
"Kennt ihr ihn etwa?", fragte Bran also. Sein Blick war nun starr auf die junge Frau gerichtet.
Sie schien immer noch total aus der Fassung zu sein.

Ygritte wusste nicht was sie tun sollte. Einerseits hatte sie das Bedürfnis, sich bei Bran für alles zu entschuldigen und ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Andererseits wäre es wirklich besser, würde sie sich nichts anmerken lassen und nur sagen, dass der Name sie nur an etwas erinnerte.
"Nein.", letzteres klang für die Rothaarige am besten, "Ich weiß es nicht. Vielleicht kenne ich auch nur einen anderen Bastard namens Jon."
Man sah ihr an, dass sie log. Sie wurde rot und immer verzweifelter, während ihr ganzer Körper begann zu zittern.
Da meldete sich wieder ihr Magen.
"Ich werde gehen und etwas zu essen holen.", sie wollte einfach weg von diesem Ort, weg von diesem Jungen, weg von den Gedanken an Jon.

Bran glaubte nicht wirklich daran, dass die Wildlingsfrau, deren Name der Junge immer noch nicht wusste, die Wahrheit sagte. Es gab sicher nicht viele Bastarde mit dem Namen Jon Schnee im Norden, also gab er die Hoffnung noch nicht auf.
Als die Rothaarige sich gerade auf den Weg machen wollte, um Essen zu besorgen - obwohl der 10-jährige nicht wirklich daran glaubte, dass sie wiederkam -, hielt er sie an ihrem Mantel fest, an der sich gerade noch so klammern konnte.
"Lebt Jon noch?", fragte Bran einfach, ohne eine Miene zu verziehen. Er wusste nicht, warum die Frau hätte lügen sollen. Es sei denn natürlich, sie hätte Jon umgebracht, aber das schloss Bran aus. Vielleicht war es auch nur Wunschdenken.
Sommer setzte sich neben ihn und schaute die Wildlingsfrau genau an.

Sie wollte sich vom Griff des Jungen losreißen, doch er hatte unglaubliche Kraft in den Armen. Sie überlegte ob er früher geklettert war, bevor er ein Krüppel wurde.
"Ich weiß es nicht.", dies war die einzige Antwort, die sie geben konnte. Sie wusste es genau so wenig, wie sie wusste, wo sie war und wo sie hin wollte und zu wem sie sich entwickelt hatte.
Ygritte wusste nicht mehr wer sie war und was sie zum abschießen des Pfeils gebracht hatte. Sie wusste nur, dass sie es unglaublich bereute und nur in die Arme von Jon wollte.

Bran seufzte. Ihm war klar, dass er wahrscheinlich nie wieder von seiner Familie hören würde und dass er jetzt auf sich alleine gestellt war, aber vielleicht konnte ihm Sommer helfen. Nur mühsam klammerte er sich an seinen Schattenwolf und schaffte es, sich so halb auf ihn zu stützen. Bran nickte seiner Bekanntschaft zu. Wäre sie jetzt auf "die Suche nach Essen gegangen", hätte er noch lange warten können, also würde er sich nun verabschieden.
"Ich dachte, ihr bräuchtet meine Hilfe. Aber anscheinend doch nicht", meinte Bran abfällig und wartete auf eine Antwort.
Er war echt kurz davor, die Wildlingsfrau einfach loszulassen und mit Sommer zu fliehen. Auch, wenn sie Jon kannte.

Jetzt musste Ygritte lachen.
"Ich brauche deine Hilfe, Bran und du brauchst meine, aber wenn ich nicht gehe und Nahrung hole, werden wir beide verhungern.", sie wollte wirklich nicht für immer von dem Jungen fort gehen, denn sie hatte Angst, dass sie sich noch tiefer im Wald verlaufen würde und schließlich von Schattenwölfen gerissen werden würde.
"Lass mich gehen, nur für eine Weile.", sie blickte Bran nun direkt ins Gesicht, "Oder willst du verhungern, Junge?"

Bran lief rot an. Konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Ihm war schon klar, dass er ohne Hodor wahrscheinlich auf die Wildlingsfrau angewiesen war, aber er wollte es einfach nicht wahrhaben. Trotzig ließ der Junge sich wieder von Sommer sinken. Es hätte sowieso nicht funktioniert.
"Dann nehmt mich mit zum Jagen", forderte Bran. Natürlich brauchte niemand einen Krüppel, wenn er unterwegs war und Tiere jagte, aber Bran wollte nicht mehr alleine mit Sommer bleiben. Es hatte ihm schon einzig und allein einen Schock versetzt, als die Namenlose hier aufgetaucht und Bran einfach erschrocken hatte.
Mit überzeugender Miene blickte er sie an.

Ygritte seufzte.
Wie sollte sie diesen Jungen tragen und gleichzeitig jagen? Das war beinahe unmöglich. Bran war zwar nicht schwer, aber sie konnte nicht schnell agieren, wenn sie einen Knaben auf den Schultern tragen müsste.
Sie wollte gerade losgehen, doch überlegte es sich noch einmal anders.
"Ich nehme dich mit.", sie musste ziemlich unentschlossen klingen, denn sie hatte keine Ahnung wie sie das bewerkstelligen sollte, "Aber du musst mir sagen wie."
Ich musterte den Jungen und musste sich selbst zugeben, dass er ihr schon sehr leidtat.