Der Marktplatz

Nur selten hatte Brienne solch einen überfüllten Markt erlebt. Hunderte Stände waren an allen Ecken errichtet worden, manche hölzern und schlicht, andere mit bunten Tüchern und Mustern geschmückt. Zu Hunderten standen die Menschen Schlange und ihre Stimmen mischten sich mit denen der Marktschreier und Verkäufer. Es herrschte ein reges Treiben, sodass Brienne in der Masse zu verschwinden schien und endlich einmal nicht auffiel, wie sie es sonst immer tat.
Die Rüstung, die sie von Jaime Lennister kurz vor König Joffreys Hochzeit bekommen hatte, hatte die große Frau heute abgelegt. Stattdessen trug sie eine blau schimmernde Tunika, die sie aber auch nicht hübscher oder weiblicher wirken ließ.
Aufmerksam betrachtete Brienne die Stände, hatte aber nicht vor, etwas zu kaufen, auch wenn sie ihren Geldbeutel mit dabei hatte. Innerich staunend und begeistert von der Pracht, die sich ihr bot, schlenderte sie über den Marktplatz, hielt manchmal inne, um sich eine besonders schöne Ware anzusehen, und ließ sich in der Masse treiben. Jedoch nicht, ohne wachsam zu bleiben.
Gerae wollte Brienne gemütlich zu einem Blumenverkäufer hinüberbummeln, als sie plötzlich rücklings angestoßen wurde. Blitzschnell wandte sie sich um, ihre Augen zu Schlitzen verengt, und sah noch, wie eine dunkelhaarige Frau in die entgegengesetzte Richtung floh! Ohne sich zu fragen, warum sie dies tat, hechtete Brienne ihr hinterher und bahnte sich, nicht gerade sanft, einen Weg durch die Menschenmenge. "Stehen bleiben!", rief sie über die Köpfe der Leute hinweg. Nun war ihr Ehrgeiz geweckt. Verbissen kämpfte sie sich durch die Schaulustigen, ohne die Frau auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. Natürlich hätte sie schreien können, jemand solle die Diebin aufhalten, aber Brienne hatte nicht vor, jemand anderem dafür danken zu müssen, die Dunkelhaarige geschnappt zu haben. Sie würde das schon schaffen!

Briennes starrer, harter Gesichtsausdruck wurde immer wutverzerrter, je näher sie der Diebin kam. Grob schob sie Menschen beiseite, die ihr im Weg standen, nahm sich aber fest vor, sich nachher bei jedem einzelnen von ihnen zu entschuldigen. Nicht dass man ihr das Geld gestohlen hatte, machte die Frau zornig, sondern die Ungerechtigkeit - der Dunkelhaarigen sollte ihre gerechte Strafe zugeführt werden!
Lange dauerte die Verfolgungsjagd nicht, denn Brienne beobachtete mit grimmiger Genugtuung, wie die Taschendiebin in ihre Kumpanin krachte und beide zu Boden gingen.
Schnell eilte die Ritterin, die im Grunde genommen gar keine war, heran und beugte sich über die beiden im Dreck von Königsmund liegenden Frauen. Neben der Dunkelhaarigen konnte sie ihren eigenen Geldbeutel ausmachen, den sie wortlos ergriff und tief in den Stoffen ihrer Tunika verschwinden ließ. Dann beäugte Brienne die zwei mit wachsamem Blick, die offensichtlich Freundinnen waren und zusammen gehörten.
Brienne wusste nicht so recht, wie sie mit den beiden verfahren sollte - es waren Frauen, denen sie nicht einfach eine Waffe an die Kehle halten wollte. Dennoch mussten sie, oder zumindest die Diebin, womöglich war die andere Frau sogar unschuldig, sich vor einem Gericht verantworten und die Konsequenzen aus dem Diebstahl ziehen. Trotzdem wollte Brienne auf keinen Fall die Wachen rufen, so viel Stolz besaß sie noch, dass sie mit zwei dürren Weibern fertig wurde!
"Erhebt Euch!", meinte sie schließlich im Befehlston, ihren starren Blick fest auf die Dunkelhaarige gerichtet. Mit einem Griff packte sie jeweils eine Frau am Arm, eine links, eine rechts, und half ihnen auf die Beine, um sie in Gewahrsam nehmen zu können. "Ihr wisst, dass Ihr für einen Diebstahl nicht ungeschoren davonkommt. Ich werde Euch den Wachen von Königsmund ausliefern, aber vorher möchte ich erfahren, wer Ihr seid!", fuhr Brienne harsch fort und machte den beiden so hoffentlich klar, dass sie darüber nicht verhandeln würde. Trotzdem wollte sie sich erst anhören, was sie zu sagen hatten, schaden konnte es nie.
Nun, da sie sicher sein konnte, dass keine von den beiden Fremden entkommen würde - konnte - , betrachtete sie sie eingehend. Die Dunkelhaarige sah aus wie eine arme Frau, jemand, der stehlen musste, um sich zu ernähren, und dennoch wirkte sie nicht wie jene, die vor jedem Mann mit Messer kuschten. Etwas an ihr stimmte Brienne nachdenklich, doch konnte sie partout nicht sagen, was es war.
Die zweite Frau hatte recht hübsches blondes Haar, welches dem von Brienne überhaupt nicht ähnlich sah. Deren Haare waren kurz geschnitten, die blauäugige Blondine jedoch trug eine interessante Hochsteckfrisur. Irgendwie wirkte sie auch ziemlich überrascht, woraus Brienne schloss, dass sie wohl nicht gewusst hatte, was ihre Komplizin vorgehabt hatte.
Oder es war ein Trick, was aus Briennes Augen viel wahrscheinlicher war.

Aufmerksam musterte Brienne die beiden erneut. Sie waren nicht wie die Schlangen in den Palästen, die Intrigen gegen ihre Ehemänner schmiedeten. Aber dumme Mädchen waren sie auch nicht.
Sie verengte die Augen zu Schlitzen, als die Blonde ihr ihren Namen verriet...und offenbar verhandeln wollte. Rhaenyra von Valyr war also nicht aus Westeros. Brienne tat ihre Bemerkung über die "Regelung auf andere Weise" kommentarlos ab und wandte sich an die Dunkelhaarige. Diese schien tatsächlich um Verzeihung zu bitten und Wiedergutmachung leisten zu wollen. War das ein Trick? Eine Falle? Wieso? ...
Nachdem die Diebin, die ihre Freundin sehr in Schutz nahm, geendet hatte, ruhte Briennes kühler Blick eine Weile auf ihr. "Ihr habt mir noch immer nicht gesagt, wer Ihr seid", meinte sie dann argwöhnisch. "Aber Ihr habt recht, ich sollte auf meinen Geldbeutel wohl mehr Acht geben..."
Die Diebin hielt ihr noch immer einen Silberhirsch entgegen, den Brienne kurz begutachtete. Dann sagte sie: "Behaltet die Münze. Und den Apfel könnt Ihr Euch ebenfalls sparen. Verratet mir lieber Euren Namen." Einen Moment hielt sie inne, um darüber nachzudenken, was sie nun tun würde. Die beiden Frauen den Wachen ausliefern, wo sie doch eigentlich recht hatten? Brienne respektierte es durchaus, dass die Diebin ihr gegenüber so offen sprach. Es schien, als wäre es ihr wichtig gewesen, ausgerechnet eine Hochgeborene zu bestehlen.
"Ihr habt recht, ich brauche so viel Gold nicht", meinte sie schließlich, betrachtete die beiden und stieß sie dann sanft vorwärts. "Und dennoch würde ich es gern behalten. Wenn Ihr mit mir kommt und mir erzählt, wieso Ihr ausgerechnet mich bestohlen habt, werde ich Euch nicht den Wachen ausliefern."
Nun, die Wahrheit war, dass Brienne neugierig geworden war und sich trotzdem schlecht fühlte, wo sie doch sonst so rechtschaffen war. Aber sie befand die Angelegenheit als ihre eigene Sache, sie brauchte niemanden, der darüber entschied, wie mit den beiden Frauen verfahren wurde. Sie würde es einfach selbst in die Hand nehmen und erfahren, wer die Diebin war. Denn offensichtlich hatte sie etwas an sich, das Brienne gefiel: Kampfgeist.

Oberyn Martell, die Rote Viper, trat gut gelaunt aus einem der Freudenhäuser Königsmunds. Er hatte die Nacht dort verbracht, doch viel geschlafen hatte er selbstverständlich nicht. Es war ein sonniger Tag und der Markt, zu dem er nun schlenderte, war gewiss gut besucht und reich an Waren, die ihn eigentlich nicht interessierten. Dennoch wollte er sich einmal dem bunten Treiben hingeben, ohne daran denken zu müssen, was vor vielen Jahren in dieser Stadt geschehen war.
Bald stand er inmitten der Menschenmengen, die sich vor den Ständen drängten und einen Blick auf die seltenen Güter erhaschen wollten, während andere Schlange standen, um eines davon zu erwerben. Oberyn beobachtete das Geschehen wachsam, war jedoch nicht am Kauf der Waren interessiert.
Es duftete nach Kräutern und Gewürzen und das Licht fiel elegant über die verzieren Stoffe und bemalten Vasen... Manchmal fühlte sich Oberyn an Essos erinnert, bis ihm wieder einfiel, wieso er nach Königsmund zurückgekehrt war.
Nun jedoch wurde er auf eine etwas abseits gelegene Menschentraube aufmerksam, die ihm nicht so schien, als würde sie die Wunder der Händler bestaunen. Vielmehr waren es Schaulustige.
Der Prinz bahnte sich einen Weg durch die Masse und konnte einen kurzen Blick von dem erhaschen, was die Leute so faszinierte. Eine riesenhafte Frau ragte in deren Mitte auf, mit kurzen blonden Haaren, und sie hielt zwei Frauen am Arm, eine hübsche blonde und eine, die Oberyn sehr bekannt vorkam. Zarah. Den Ansturm von verschiedenen Gefühlen ignorierend betrachtete er sie. Offensichtlich steckte sie in Schwierigkeiten, das konnte jeder erkennen, der halbwegs bei Sinnen war, und wäre er nicht Oberyn Martell, so wäre es ihm egal gewesen. Aber er war nun einmal Oberyn Martell, der Prinz von Dorne und die Rote Viper, und deshalb befahl ihm sein Instinkt, eine holde Jungfer nicht einfach im Stich zu lassen.
Selbstsicher trat er neben die Riesenfrau und musterte sie argwöhnisch. "Was tut Ihr da?", fragte er mit der Stimme des Lords, der er sein musste, damit man ihm gehorchte. Er erwartete keine Antwort. Dann wandte er sich zu Zarah um und unterdrückte den Anflug eines Lächelns. "Wenn ich es recht erkenne, so kommt mir dieses Mädchen durchaus bekannt vor", meinte er geschwollen und warf der Hünin einen scharfen Blick zu. "Ich bürge für sie und ihre Freundin und nehme mich der Angelegenheit an, welche auch immer es sein mag." Er spürte die Genugtuung, als ihn die wütenden Blicke Brienne von Tarths durchbohrten. Skeptisch betrachteter er Zarah und Rheanyra und gab ihnen unauffällig zu verstehen, dass sie nun mitspielen mussten, wenn sie heil aus der Sache herauskommen wollten.

(OOC: Tut mir leid, dass ich doch erst heute poste ;-; und dass es so wenig ist D: das wird schon noch x.x)

Briennes Miene wurde noch finsterer, als sie ohnehin schon war. Wieso mischte sich dieser aufgeblasene Prinz von Dorne in ihre Angelegenheiten ein? Und wie alle hohen Edelleute hielt er es natürlich für selbstverständlich, dass man seinen Namen, sein Wappen und seine gesamte Familiengeschichte kannte. Prinz Oberyn Martell stand nun vor ihr, fast ein bisschen schelmisch.
Ihr durchdringender Blick fiel abwechselnd auf ihn und auf Zarah und ihn, als sie pikiert meinte: "Verzeiht, Mylord, aber diese Frau hat mich bestohlen und muss dafür zur rechenschaft gezogen werden. Wäret ihr womöglich so gütig, sie mir zu überlassen, damit ich mit ihr eine Vereinbarung treffen kann? Ich würde sie ungern den Wachen ausliefern."
Allmählich wurde die kleine Versammlung um sie herum ungeduldig und schrie nun, man solle Zarah bestrafen, hängen, vierteilen und viele andere schlimme Torturen durchleben lassen. Brienne fühlte sich zunehmend unwohl und beugte sich widerstrebend vor zu Oberyn. "Findet Ihr nicht auch, dass wir unsere Unterhaltung an einem anderen Ort fortführen sollten?", zischte sie ihm zu und schob Zarah und Rhaenyra in eine etwas schmalere Gasse hinein, als Zeichen, dass sie nicht auf Oberyns Einverständnis warten würde. Plötzlich begann die Diebin, wehleidig zu jammern und sah mit tränennassen Augen zu ihm auf, während sie irgendetwas stammelte... Was sagte sie da? Brienne wusste nicht recht, ob sie wütend werden oder lachen sollte, aber was sie wusste, war, dass sie nun schleunigst der Menge ausweichen sollten, die auf sie zu drängte. Sie konnte nicht länger warten, und so packte sie Oberyn so sanft es ging am Arm und zog ihn mit sich, während sie die beiden Frauen mehr schlecht als recht vor sich her stieß, bis sie schließlich hinter einer Häuserecke zum Stehen kam.
"Verzeiht mir, Mylord", meinte Brienne kühl, als Oberyn sie skeptisch musterte. Würde er sie nun dafür bestrafen, dass sie ihn so grob gepackt hatte? Sie fürchtete es nicht, aber vorstellen konnte sie es sich.
Dann fiel ihr schneidender Blick wieder auf Zarah und sie wandte sich an Oberyn: "Mylord, ich kann sie nicht gehen lassen. Ob sie nun Eure Geliebte ist oder nicht, sie hat ein Verbrechen begangen und muss dafür die Konsequenzen tragen wie jeder andere Mensch auch! Ich habe sie den Wachen nicht ausgeliefert, aber ich erwarte dafür eine Gegenleistung, wenigstens ein Versprechen, dass sie nicht wieder stehlen wird." Sie durchbohrte Zarah förmlich und verstand nicht, wieso sie ausgerechnet dieser Frau bereit war zu verzeihen. Einer Frau, die offensichtlich nicht so arm war, wie sie tat...und noch dazu eine der vielen Geliebten Oberyn Martells.

(OOC: x___x es. tut. mir. leid.)