Es ist nun einige Tage her, seid alle sich aufgemacht hatten. Sie wollten über die Mauer, dem Winter hier entfliehen. Es war wie ausgestorben in dem ehemaligen Lager der Wildlinge. Nur ein älterer Mann mit weißem, zottligem Bart saß an einem Feuer. Er erhob sich müde und schwer. Er wirkte träge und verlassen. Selbst seine Familie hatte ihn alleine gelassen. Sie wollten ebenfalls über die Mauer in den Süden. Er konnte es ihnen nicht verdenken. Mit Schnee löschte er die warmen Flammen, die ihn seine Laune leicht erhellt hatte. Seine dunklen Augen sahen sich um. Er wirkte an sich müde und vom Alter gezeichnet, doch seine Augen sprachen etwas anderes. In ihnen brannte noch immer das Feuer des Lebens, doch den Weg über die Mauer zu wagen. Das hatte er sich geweigert. Er war hier geboren und hier würde er sterben, so wie seine Vorfahren vor ihm. Mit schwerem Schritt ging er los. Er hinterließ eine tiefe Spur im Schnee. Doch schon bald waren diese wieder verschwunden. Nichts währte hier ewig. Wolfger so hatte man ihn genannt, als die anderen noch bei ihm gewesen waren. Erst jetzt viel ihm auf, dass seine Leute wohl schon länger als ein paar Tage weg waren. Es fiel ihm schon schwer sich an seinen eigenen Namen zu erinnern. Damals als die Wildlinge, seine Leute noch da gewesen waren, wurde er oft nach allen möglichen Dingen gefragt. Er war der älteste unter ihnen und die jungen Menschen dachten scheinbar, er würde alles wissen. Ein Schmunzeln stahl sich in das alte Gesicht. Sein Blick fiel auf einen Baum. Mit den dicken Handschuhen kratzte er den Schnee von der Rinde. Zeichen waren darin eingeritzt. Jedoch war es schon Jahre her und der Baum war gewachsen, nun waren die damals so deutlichen Zeichen nur noch unkenntlich und niemand würde erkennen was sie bedeuteten. Außer er. Er wusste es. Damals ritzte er sie ein. Als Zeichen für andere seiner Leute, dass diese ihn und die Wildlinge finden würden. Immer schon herrschte die Angst vor allen möglichen Gefahren, doch in der Gruppe, in einem Volk konnten sie alles bestehen. Wolfger schloss die Augen etwas. Er sah noch alles vor sich. Als er jung gewesen war und mit den anderen noch umher gewandert war. Einige Schattenkatzen hatten sie angegriffen und zwei ihrer Leute geholt. Er sah noch vor sich wie sich der Schnee rot färbte und wie bitterlich die Frauen und Kinder vor Angst geweint hatten. Eines anderen Tages war die Nacht kälter als eine davor. Zwei Neugeborene waren noch während der Geburt wegen der Kälte gestorben. Es gab keine Chance für sie. Auch sein erster Sohn war eines dieser Kinder gewesen, er hatte noch nicht einmal die Zeit gehabt einmal zu schreien. An diesem Tag hatte er sich geschworen eines Tages aus dem Norden zu flüchten. Die Sonne des Südens zu spüren, doch das ist lange her. Eine kleine Träne rollte aus Wolfgers Auge, doch sofort gefror sie und er zog die Kapuze aus Fell weiter ins Gesicht. Nun war er zu alt und zu sehr hatte er gelernt diese Kälte zu lieben. Einsam stampfte er weiter durch den Schnee und dachte an seine anderen fünf Kinder, die seine Frau ihm geschenkt hatte. Alle hatten sich auf den Weg gemacht in den Süden und er wünschte sich, dass sie sicher dort ankommen würden. Er sah in den Himmel, Schnee fiel ihm ins Gesicht. Warum war er nicht mit gegangen? Ein trauriges Lächeln deutete sich unter seinem Rauschebart an. In der Nacht bevor sein Volk sich aufmachte, fand er seinen längsten und wohl besten Freund auf. Er war friedlich in der Kälte der Nacht eingeschlafen. Er hatte sich nachts gegen einen der Bäume gelehnt und nur darauf gewartet, dass die Kälte ihn holt. Wolfger hatte in dem Moment begriffen, dass wohl auch seine Zeit mit dem Norden hinter der Mauer zusammen hing. Er wollte mit der Kälte eins werden, so wie es sein Freund getan hatte. Doch bisher schien seine Zeit noch nicht abgelaufen. Jeden Tag wanderte er durch den Wald. Wartete darauf auch einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen. Doch immer wieder schlug er die kalten Lider wieder auf und blickte in den wolkenbedeckten Himmel. Ein kaltes Gefühl machte sich in ihm breit. Sein Blick wandte sich in die Richtung, aus der ihm schien als würde ihn etwas beobachten. Für einen Augenblick war es ihm so als würden ihn ein Paar eiskalte blaue Augen anschauen. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken runter und schnell machte er Kehrt. Er spürte nach langem zum ersten Mal wieder deutlich sein Herz rasen. Es war als würde sich eine Hand auf seine Schulter legen, doch er traute sich nicht, sich um zu drehen und zu schauen wer dort hinter ihm stand. Kälte breitete sich in seinem Körper aus, trotz der vielen Pelze zitterte er am ganzen Körper. Seine Knie gaben nach und er brach zu Boden. Zusammen gekauert hob er nun den Kopf, der ihm so schwer vorkam. Eine weiße Gestalt stand vor ihm, deren kalte blaue Augen auf ihm ruhten. Die Kälte übernahm ihn nun vollkommen und das Bild das sich ihm bot verschwamm. Er spürte noch wie er in den kalten Schnee fiel. Nun, nun würde er seinen Freund und seine geliebte Frau endlich wiedersehen.